Wohlsborn

Lebenswerte Gemeinde im Weimarer Land

Kriegschronik 1914 – 1918 von Wohlsborn

Beitrag veröffentlicht am: 25.02.2015 | Autor: Ortschronist Thomas Fischer

Foto: Dr. Jochen Kummer

Vor 100 Jahren tobte ein Krieg in Europa, der später 1. Weltkrieg genannt wurde und vier lange Jahre dauerte.
Vieles wurde schon im vergangenen Jahr aus Anlass der 100-jährigen Wiederkehr des Beginns dieses Krieges publiziert.
Wie diese Zeit in Wohlsborn empfunden wurde, hat Pfarrer Paul Kunze seit Beginn dieses Krieges aufgezeichnet. Diese „Kriegschronik 1914 – 1918 von Wohlsborn“, wie er sie nannte, umfasst 4 Teile:

    1. 28 in Kurrentschrift handgeschriebene Seiten „Kriegserlebnisse Wohlsborn ab 1914“,
    1. die Schilderung der „Einweihung des Kriegergedächtnismales“,
    1. ein „Verzeichnis der Gefallenen“,
    1. eine „Liste der Kriegsteilnehmer aus Wohlsborn“.

Der erste Teil wurde bereits in bearbeiteter und ergänzter Form in der „Wohlsborner Chronik bis 1990“ veröffentlicht.

Hier sind der 1. und 2. Teil zu lesen. Sie entsprechen dem von Pfarrer Kunze aufgeschriebenen Bericht. Sowohl Rechtschreibung, als auch die Ausdrucksform waren in der damaligen Zeit aktuell, heute sind manche Passagen nicht mehr gebräuchlich.

Die Nachnamen wurden anonymisiert, um dem Datenschutz zu genügen.

Einige Erläuterungen zum Inhalt des Dokumentes:

Die wichtigste militärische Formation in Thüringen war das Infanterie-Regiment Großherzog von Sachsen (5. Thüringisches) Nr.94 und ein großer Teil der aus Wohlsborn Einberufenen kamen in dieses Regiment zum Standort Weimar. Aber auch im Husaren-Regiment „Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg“ (2. Kurhessisches) Nr. 14, sowie in Bayern und auch in Pommern dienten Wohlsborner.

Jungdeutschland

Der Jungdeutschland-Bund war eine 1911 gegründete Dachorganisation bürgerlicher Jugendverbände zur Wehrerziehung der deutschen Jugend.

Nachfolgend der Originaltext des 1.Teils, danach des 2. Teils:

Kriegserlebnisse – Wohlsborn – 1914/15; 16

Am 25. Juli hatten wir noch in aller Ruhe im Freien auf der Wiese des Bürgermeisters Erntebet Gottesdienst gehalten, ohne eine Ahnung davon, dass wir zugleich mit der schweren Zeit der Ernte in die noch schwerere eines Völkerkrieges eintreten würden, in der der Schnitter Tod eine reiche Ernte zu halten bereit stand.

Während des kurzen Erntebet Gottesdienstes hatte sich der Himmel umdüstert, zum Zeichen dessen, was draußen in der weiten Welt der Völkergeschicke sich anbahnte. Man dachte aber immer noch, das böse Gewölk würde sich wie dort, zum Erntegottesdienst, wieder verziehen. Aber immer mehr verdichtet es sich von Tag zu Tag Unheil drohend die allgemeine Mobilmachung, die ja noch nicht den Krieg selber bedeutet, wird erklärt.

Am Sonnabend 31. Juli saß man in dem kleinen Bretterhaus zusammen, das einstweilen an Stelle des abgebrannten Strobach’schen Gasthofs errichtet war, wartend, wie sich die Dinge weiter entwickeln, ob die Gase zur Explosion kommen würden. Da verkündet der schrille falsche Ton des Automobils, ein Ton der durch Mark und Bein und Herz hindurchgeht: der Krieg gegen Rußland und Frankreich ist erklärt. Man nahm die Nachricht tief bewegt, aber sehr gefasst auf. Unsre hiesigen Leute sangen und sagten: Lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein!

Am Sonntag 1. August waren wir zu einem herzbewegenden Abschiedsgottesdienst versammelt, wo manche wehe Träne floss. Es sei hier vorausgeschickt, dass bis Ostern wenigstens alle 2 – 3 Wochen regelmäßige Kriegsbetstunden stattfanden, die gut besucht waren – besonders als wir die Einquartierung hier hatten. Auch in den Sonntagsgottesdiensten ward in der Regel auf die Kriegsereignisse Bezug genommen. Es wurden von hier sofort zur Fahne einberufen:

Gefr. Erwin H., ein Ehemann, zur 6. Armee, 3. bairische ArmeeCorps, 5. Bair. Div., 18. Fuß-Art.-Reg. leichte Munitionscolonne, steht zwischen Maas und Mosel bei St. Mohiel,

Karl W., Ehemann, Armeekorps Falkenhausen, 8 Comp., 10. Ersatz Div. 43. pom Ers. Brig. 83. pom. Ersatzbataillon,;

Paul M., Ehemann, zu den Marburger Jägern zu Fuß;

Alfred K., Armeekorps Falkenhausen, 10. Inf.Div. 43 pom. Inf.Brig. 32 Inf. Reg. 44 Inf. Bat. 4Comp.,

Arno V., 94 Inf Reg Linie, 4 Compagnie.

Dazu kommen an ledigen Burschen folgende:

Alfred S., 3 Cav.Div., 4 Esk, 14 Hus.Reg. 22 Cav. Brig.,

Gefr. Oskar M., Jäger zu Pferd Nr. 7, 9. Cav.Div;

Hugo K., Oberheizer auf SMS Stralsund,

Gefr. Max V., 94 InfReg Linie, 1 Comp.

Walter K., eben dahin.

Hinzugerechnet zu den Wohlsbornern von vornherein wird der Enkel von Magnus H., Oskar V., der bei der 11 Komp. des 94. InfReg Linie steht.

Nicht vergessen sei auch der neuherein gezogene Ehemann Ernst U., 4 ResAC, 22 ResInvDiv 43 ErsBrig 94 InfReg 1. ErsBat 3Comp.

Zugleich werden von hier 16 Stück Pferde eingezogen und gut, dh. mit 1200 – 1500 Mk. bezahlt. Sie werden teilweise durch nachgeschaffte Ochsen ersetzt. Pferde, die nachbeschafft werden müssen, kosten den betr. Bewohnern sehr viel Geld, sind aber brauchbar.

Sehr betroffen war man, als man von Englands Kriegserklärung an das Deutsche Reich vernahm.

Man frug auch hier ganz bedenklich: Ja ein Landkrieg ist auszuhalten. Aber kann Deutschland zugleich einen aussichtslosen Seekrieg gegen England durchfechten? Vom Ilmtal unten hört man herauftönen das unaufhörliche Gerassel der Eisenbahnzüge, die nach Ost und West Tag und Nacht Soldaten, Kanonen, Bagagewagen usw. fuhren. Die Bahnen sind gesperrt und es dauert einige Zeit, bis der normale Zugverkehr eintritt. Man braucht zu der kurzen Reise nach Erfurt oft 4 Stunden, nach Halle 8–10 Stunden. Die Bahnunter- und -überführungen sind streng bewacht, da feindliche Anschläge befürchtet werden.

Man spricht davon, daß Spione sich massenhaft herumtreiben – daher wird auch hier das Dorf am Tag und in der Nacht regelrecht bewacht. Eine Kette ist oben bei Louis Köditz über die Straße gespannt und Verdächtige werden angehalten, ja einzelne mit Bedeckung nach Weimar transportiert. Bei dieser Arbeit unterstützen uns junge Leute von Jungdeutschland, die zu Erntearbeiten aus Weimar herausgeeilt sind. Wenn auch, manche sehr ungeschickt, so zeigen sich doch viele als brauchbar. Der Schulbesuch zwingt allerdings die jungen Leute, bald wieder nach Hause zurückzukehren, bald sind sie selber mit im Kriege. Die Feldarbeit geht sehr schnell vonstatten, da man durch ganz vorzügliches Erntewetter begünstigt ist, so daß innerhalb von drei Wochen die Ernte vom Felde herein ist. Man hilft sich gegenseitig reichem Maße, so daß auf ein und demselben Feld manchmal über 10 Leute zusammen sind. Die Bäume hängen voll Kirschen und diese gehen teilweise zugrunde, da nicht genug Hände da sind, den großen Reichtum zu bergen.

Die anfänglichen großen Siegesnachrichten, die sich förmlich überstürzten, waren sofort im Dorfe an den Telegrafenmasten oder Pappeln angeschlagen und eifrig studiert. Am 5. August früh 6 Uhr überflog der Zeppelin „Hansa“ unseren Ort, nach Osten fahrend. Öfters hatten wir auch in der Kriegszeit das Schauspiel von Fliegern, die friedlich über die Flur dahinsurrten, auch auf Übungsflügen begriffen.

Sehr viel Arbeit hatte der Gemeindevorstand, da immer neue Erlasse der Behörden bekannt zu geben waren und daher finden im Verlauf des Krieges sehr oft Gemeindesitzungen statt, die meist friedlich verliefen. Man schließt sich in der Not der Zeit eng zusammen, Herz an Herz. Man murrt zwar zuweilen über die Behörde, die sich so sehr um alle bemühe und bekümmere. Aber man sieht doch ein, besser ist ein Mehr von Vorsicht und Umsicht als ein zu Wenig.

Es wird ein Ortskommitee des Roten Kreuzes hier eingerichtet, zu dem außer dem Pfarrer, Oswald L., Fritz R. und Robert F. zugehören. Demselben liegen folgende Aufgaben ob: Einmal müssen Sammlungen für das Rote Kreuz im Allg. veranstaltet werden, Sammelstelle Weimar. Dann sollen regelmäßige Spenden an die hiesigen Krieger abgehen, die aus Lebensmitteln, Rauchwaren, Wollsachen usw. bestehen. Es wird reichlich gegeben und werden mit der Zeit über 1500 Mk. gesammelt, verwendet und abgeliefert, z.B. die Ostpreußen, die Marine usf. Es werden auch direkt Körbe von Äpfeln und Nüssen an die Lazarette in Weimar abgegeben.

Die Ortsbewohner klagen sehr darüber, wie oft die von ihnen gesendeten Gaben an die Adressaten nicht ankommen. Aber nach und nach scheint die Post in ihre schwere Aufgabe und Arbeit sich einzuleben, so dass bes. aus Frankreich die Briefe recht schnell in 4 bis 6 Tagen einlaufen.

Sehr erbittert ist man auch, als die Nachricht einlief, Japan wolle an der Seite der Dreibundmächte gegen uns Krieg führen. Überall spricht man vom Krieg und Leute, die seither auf der Landkarte wenig bewandert waren, finden sich jetzt auf derselben recht schnell zurecht. Es stärkt sich auch das Interesse an den allgemeinen vaterländischen Zuständen und hat man großes Zutrauen zu der Umsicht der deutschen Regierung.

Im September und Anfang Oktober hatten wir hier 136 Mann auf 1 – 3 Wochen zur Einquartierung, Freiwillige, die bei strömendem Regenwetter ankamen. Es wurde uns Kostgeld gezahlt 1,20 Mk. pro Tag und Mann. Die jungen Leute, hier zu verpflegen, war uns eine große Freude, wenn sie uns auch ihres Dienstes an den landwirtschaftlichen Arbeiten wenig zur Hilfe sein konnten. Sie haben sich auch wiederholt über die guten Quartiere in Wohlsborn voller Dank und Anerkennung ausgesprochen und wie ihre vielen aus der Ferne gesendeten Grüße bestätigen und ein treues Andenken bewahrt.

Leider wurde die Winterbestellung durch lang anhaltendes trübes und nebelichtes Wetter bis weit in den November hinein ganz bedeutend aufgehalten doch der Dezember hatte recht günstige Tage, so daß alles nachgeholt werden konnte. Es ist sehr viel Winterfeld vorsorglich bestellt worden und ausdrücklich wurde behördlich vorgeschrieben, im Frühjahr alles übrige Feld zu bestellen, ohne Brache zu lassen. Wer Feld unbestellt läßt, dem soll dasselbe abgenommen und für die Gemeinde in Ordnung gebracht werden.

Im Frühjahr, dessen Kommen allerdings diesmal recht lange auf sich warten läßt, zeigt es sich, daß das Winterfeld sehr gut durchgekommen ist. Es war ziemliche Zeit von einer Schneedecke bedeckt und hatte reichliche Winterfeuchtigkeit. Was diese letztre betrifft, so war sie stärker als jedes frühere Jahr. Die Keller standen allerorts voll Wasser. So hatte Karl H. dasselbe 8 Stufen hoch. Bei Bürgermeisters waren ca. 100 Ztn. einige Tage von allzurasch aufquellendem Wasser überflutet und mußten schnell heraus geschafft und getrocknet werden, eine mühselige Arbeit, aber sie wurde geschafft.

Im Felde stehen viele Getreide- und Strohdiemen, aber möglichst bis zum 15 Dez müssen sie abgefahren sein, da Brandstiftungen befürchtet werden. Ja es ist im Dezember einige Tage deswegen des Nachts gewacht worden. Von der Regierung gelangen strenge Verhaltensmaßregeln an, daß und wie sparsam mit den Futtermitteln und Lebensmitteln umgegangen werden soll, damit dieselben möglichst bis 15. August dh. zur nächsten Ernte reichen. Wiederholt muß die Gemeinde deswegen zusammengerufen werden. Der Bürgermeister hat viel zu tun und ist gezwungen, da auch sein Stellvertreter Osw. L. eingezogen ist, sich für diesen einen Stellvertreter einstweilen nachwählen zu lassen. Es wird hierzu Albin V. bestellt.

Der Gesangverein hat seine Übungen eingestellt, der Kriegerverein, der ebenfalls einen beträchtlichen Teil seiner Mitglieder vermißt, kommt selten zusammen, hauptsächlich zu Unterstützungszwecken. So werden Wollsachen aus Mitteln desselben für die Krieger gestrickt. Wie dem Ortscomite fürs Rote Kreuz, so kommen auch der Kriegervereinskasse nicht unwesentliche Beträge zu, so 50 Mk die möglichst unter die glücklich heimkehrenden Soldaten zur Verteilung kommen sollen.

Auf den Kopf der Bevölkerung werden pro Monat 9 kg Getreide = 7,2 kg Mehl bestimmt. Das Getreide muß bis 80 bzw 82% ausgemahlen sein. Wer Brot kaufen muß, erhält Brotmarken und kann mit denselben wöchentlich á Person 3 Pfd. kaufen. Dasselbe ist mit Kartoffelzusatz gebacken. Sieht dunkel aus, läßt sich aber, zumal wenn man Hunger hat, ganz gut essen. Kuchen wird nur noch Donnerstag gebacken, da der Verbrauch des Weizenmehles beschränkt ist. Besonders schlimm steht es fürs Vieh, da Körnerfütterung bei Strafe unterbleiben muß. Was Getreide bei den Einzelnen vorhanden ist und wie damit gewirtschaftet wird, wird controlliert. Hierzu sind Ehrhold R. und Bernhard H. bestimmt.

Im hiesigen Ort sind 87 Ztn. Kleie zugeteilt; seinen 60 Pfd. betragenden Anteil läßt der Bürgermeister ärmeren Leuten zukommen. Auch die Kartoffelbestände werden aufgenommen. Der Höchstpreis wird auf 5,25 Mk. festgesetzt. Der Gemeinde wird zur Verfütterung Zuckerfutter (Zuckerschnitzel) angeboten, aber es wird hiervon wenig Gebrauch gemacht. Glücklicherweise ist vom vorigen Sommer hier noch sehr viel dürres Futter vorhanden.

Von den Eingezogenen erhalten die bedürftigen Familien Unterstützung seitens der Gemeinde und zwar bis jetzt 10 Familien. Es sind gerechnet auf die Person 9 Mk und jedes Kind 3 Mk pro Monat. Das Unterstützungscomite besteht aus dem Bürgermeister, Pfarrer, Ehrhold R. und Paul H.

Es langt die Nachricht an, daß Wilhelm H. südlich von Gumbinnen (Ostpreußen) gleich am Anfang verwundet ist und in Costis im Lazarett liegt. Nach einiger Zeit ist er zur Erholung in Weimar und hier, um bald wieder zur Front nach Kalen beordert zu werden.

Auch der Matrose Hugo K. ist auf kurze Tage zum Besuche hier, nachdem er die Beschießung der englischen Küste und die Seekämpfe bei Helgoland mitgemacht hatte.

Arno Vogel weilt ebenfalls einige Zeit hier. Er hat die schweren Kämpfe bei Lodz mitgemacht, in der das 94. Linienregiment große Verluste erlitt.

Da ist Walter K. gefangen genommen worden. Er sendet Nachricht aus Soberen, doch wo er steckt, darüber sind wir im Ungewissen.

Max V. wird für tot gehalten, da das von Kameraden nach hier geschrieben ist. Da meldet er sich als lebend aus dem Lazarett in Liffa an. Tatsächlich war er auf dem Schlachtfeld verwundet und mit Schnee bedeckt liegen geblieben. Aber er wird von den Russen gefunden und mit nach Lodz geschleppt. Hier wird er von den deutschen, als sie Lodz eroberten, aufgefunden. Das falsch eingerichtete Bein muß in Liffa noch mal eingerichtet werden. Liegt jetzt hier in Weimar.

Auch Oskar M. war einige Tage zum Besuch da, er war die meiste Zeit in Belgien (Mecheln) gewesen und ist jetzt in Trni.

Sein Bruder Paul ist kriegsgefangen in Toulouse und hat es anscheinend erträglich. Wenigstens steht er in fortwährend brieflicher Verbindung mit seinen Angehörigen.

Aus Wohlsborn sind nach und nach weiter eingezogen: Lehrer Fleischhack, jetzt in Flandern; Oswald L. zur Kriegsgefangenenbewachung in Ohrdruf. Ebendort ist Alfred M., während Willy H. in Langensalza ist. Wilhelm M. sichert die belgische Grenze gegenüber Holland bezl. die dort internierten Belgier und Engländer. K. und Walter E. sind bereits in Polen, ebenso Arno M. Willy F., T., N. werden in Weimar, Heinrich D. in Jena eingezogen. Hugo L. ist als Rekrut nach Weimar eingezogen. Edgar K. ist zur Bewachung der Festung Marke kommandiert, während Alfred H. in Frankreich steht.

So muß auch Wohlsborn seinen Teil zur Verteidigung des Vaterlandes beitragen und so müssen wir unsere Gedanken bald dort- bald hierhin senden, nach Ost und West, um bei unseren Leuten zu sein.

Zur Vorbildung fürs Militär wird auch hier eine sogenannte Jugendwehr eingerichtet, leider nicht zwangsweise, denn es ist den jungen Leuten mehr oder minder freigestellt, ob sie kommen wollen oder nicht. Das hat schon zu allerlei Verdrießlichkeiten geführt, die der guten Sache nicht zum Vorteil gereichen. Das Commando über die Jugendwehren aus Groß-, Kleinobringen, Heichelheim, Schöndorf, Wohlsborn, Sachsenhausen (Unterführer Ernst L.), Liebstedt und Goldbach hatte erst der Bürgermeister L. aus Großobringen, dann S. aus Goldbach.

Eine private Jugendwehr im Kleinen ist die hiesige Schuljugend denn diese ist sehr eifrig daran, Gefechte zu liefern und Schlachtenpläne zu entwerfen. Nachdem der Lehrer F. im Oktober zum Heeresdienst eingetreten war, traten an seine Stelle der hiesige Pfarrer und der Lehrer L. von Sachsenhausen. Statt bisher 32 konnten nur noch 20 Schulstunden erteilt werden. Im Sommerhalbjahr ist in Rücksicht auf die landwirtschaftliche Beihilfe der Kinder der Unterricht so gelegt, daß alle Dienstage und Freitage ganz schulfrei sind, an den anderen Wochentagen wird nur vormittags Unterricht gegeben und zwar 7-12 Uhr. Das Orgelspiel wird von J. Albert R. besorgt. Die Kinder werden in den Schulstunden immer auf die Größe der Zeit hingewiesen, die sie miterleben dürfen, sie zeigen dafür warmes Interesse und schreiben Briefe an unsere Soldaten. Auch sammeln sie Wollsachen, die zu Schlafdecken umgearbeitet werden sollen. Es kommt hier ein ganz großer Wagen zusammen, der nach Weimar abgeliefert wird. Auch alter Gummi wird von den Kindern gesammelt.

Wer noch Gold hat, gibt es auch hier ab und auf die zweite Kriegsanleihe besonders wird auch hier gut gezeichnet. Wieviel, das läßt sich natürlich nicht bestimmen, doch kann verraten werden, daß Beträge zu 1000, 2000, 5000 Mk auch hier gezeichnet wurden.

Leider sind die hiesigen Lokalitäten so, daß ein großer patriotischer Abend unterbleiben mußte. Vielleicht kann im Sommer bei günstiger Witterung ein solcher im Freien stattfinden. Zu Kaisers Geburtstag war der Kriegerverein nach geschehenem Kirchgang mit seinen Angehörigen zu einer kleinen ernsten Feier zusammen. Am 2. Osterfeiertag ward in der Kirche das Reichskanzlers a.D. Bismark dankbar gedacht. Die Krieger erbitten lebhaft die Heimatklänge und erhalten sie mit anderen Schriften erbaulichen Inhalts zugesendet. Auch werden hier 4 Exemplare gelesen von der Kriegschronik, Kriegs- und Ruhmesblätter 1914/15, welche in kurzen Daten und Zügen die Ereignisse der großen Zeit wiedergeben.

Der Landwirtschaft werden Gefangene als Hilfskräfte angeboten, doch verzichtet man lieber darauf, da die Gemeinde Wachen stellen soll. Einige von hier haben auch das große Gefangenenlager in Ohrdruf besucht, erstaunt über die musterhafte Ordnung, die dort herrscht. Auch hat man beste Gelegenheit, die vielen Lazarethe in Weimar zu besuchen. Immerfort sieht man auch neue Truppen- und Waffentransporte besonders Ende April nach Ost und West gehen, so beobachtete die Schule auf einem Spaziergang einen ganzen langen Güterzug mit Transportwagen, die nach Rußland gingen. In der Waggonfabrik in Weimar bei Hetzer und wird drauf und dran für Militärzwecke gearbeitet, an Arbeitsgelegenheit und dem entsprechenden Verdienste fehlt es nicht. Aber bei den wachsenden Preisen der Lebensmittel ist auch fast schwieriger, die Familie zu ernähren. Manche Sachen z.B. Reis, Kakao, Kokosnußbutter, besonders Petroleum sind fast nicht zu haben, so auch die Hülsenfrüchte. Manche Ortsbewohner sind dadurch gezwungen, sich elektrisches Licht anzulegen; womit sie sonst wohl noch eine Zeit gewartet hätten.

Bemerkenswert ist es, daß gerade jetzt so viele Kinder und zwar in der Mehrzahl Knaben zur Welt kommen. Der Kaiser, sagt man, braucht ja nur Soldaten.

Mit Ende April tritt eine sehr sonnige Zeit ein, die ja zunächst die Beschleunigung der Feldarbeit zu Gute kommt. Aber auch das schönste Wetter bekommt man, wenn es zu lange anhält, überdrüssig, und sehnsüchtig schaut man nach der Wetterfahne hinauf, ob sie, die beharrlich auf Ostwind deutet, sich eines Besseren besinnt und von West nach Ost sich richtet. Man wundert sich nur, daß jetzt anfangs Juni, wo diese Zeilen geschrieben sind, die Feldfrüchte trotz der großen Trockenheit noch so verhältnismäßig gut stehen. Freilich in den Gärten kann so gut wie nichts gepflegt werden.

Nun, Ende Mai, sind schon über 30 von hier zum Kriegsdienst eingezogen und andere die noch zurückgeblieben sind, warten täglich darauf, daß auch sie noch einberufen werden, Man würde ja, so sagt man sich auch hier, wohl mit der Kriegslast bald zu Ende sein, wenn nicht zu guter Letzt das ungetreue Italien auch noch zu den Waffen gegriffen hätte. Dadurch verlängert sich ja der Krieg, dessen Ende man sich mit Schmerzen herbei sehnt. Denn schon beginnt ein zweites Kriegsjahr und man befürchtet, daß es zu einem zweiten Winterfeldzug kommen würde. Wieder gehen ungeheure Züge mit Munition und Kriegsmaterial, insbesondere auch mit Mannschaften ab, zumal nach der russischen Grenze, denn dort wird die russische Grenze mit Gewaltschritten von der Weichsel, Narew und dem Brieg zurückgetrieben, um zunächst bei Brest-Litowsk neue Zuflucht zu suchen. Warschau wird genommen. Bei diesen Kämpfen sind unsere vierundneunziger stark beteiligt und erleiden viele Verluste. So soll Arno M., Sohn des Bürgermeisters auf diesem polnischen Schlachtfeld den Heldentod gelitten haben. Oswald L., der so lange im Ohrdrufer Gefangenenlager Wachdienste getan hatte, ist nach Polen in den Kampf gekommen. Leo B., als Fahrer im Krankenhaus beschäftigt wird gichtleidend und muß vorübergehend ins Lazareth.

Ende Juli beginnt bei sehr günstigem Wetter die Ernte und geht sehr von statten, so daß sich das Fehlen der Arbeitskräfte gar nicht so sehr fühlbar macht. Weizen und Roggen ergeben einen reichen und guten Körnerertrag, Gerste und Hafer sind mangelhafter. Als Sachpreise für letztere beiden sind 15 Mk, für erstere 13,50 Mk festgesetzt. Man sagt, es sei im Durchschnitt eine gute Mittelernte, so daß man das rumänische Getreide, das endlich dort freigelassen wird, gar nicht brauche. Immerhin es werden noch Brotkarten ausgegeben, dazu kommen noch Mehlkarten. Die Lebensmittelpreise steigen, die Schweine kosten pro Zentner sogar 155 Mk und man lernt immer mehr mit den Gottesgaben sparsam umgehen. Auch liest man in den Zeitungen, die Lust, Liebesgaben ins Feld zu senden, ermatte. Jedoch von hiesiger Gemeinde sind bisher immer noch in regelmäßigen Pausen von 3-4 Wochen solche Gaben gesendet worden und haben, wie die vielen Dankesbriefe bestätigen, viele Freude bereitet. Es wurden auch von Schulkindern und jungen Mädchen Gaben für die Lazarethe gesammelt, 500 Stück hier, viele Äpfel Zigarren, Speck und 6 blumengeschmückte Körbe in dieselben nach Weimar von letzteren getragen. Rechnet man alles zusammen, was im Lauf des ersten Kriegsjahrs gesammelt und abgegeben bez. abgeschickt ist an Geld und Lebensmittel, so werden 2000 Mk kaum reichen.

Aber die Liebe höret ja nimmer auf. Das ist unsre Hoffnung und unser Gebet. In der Erntezeit erhalten viele Krieger Urlaub und es ist mir große Freude, z.B. Karl W., Erwin H., Ernst U. nach Jahresfrist gesund und munter wieder daheim zu sehen. Man macht die angenehme Beobachtung, daß unsre Soldaten da draußen recht stramm werden und wohlgenährt aussehen.

Mitten in der Ernte kommen erhebliche Regengüsse, die dieselbe zwar aufhalten, aber für das Wachstum der Runkeln oder Kartoffeln sehr vorteilhaft sind. Das Wetter ist kühl, kühler, als es sonst um diese Zeit zu sein pflegt. Darum wollen die Gurken nicht recht wachsen.

Am 1. Aug. abends haben wir zu Ehren von Hugo Z., der bei Oskar W. in Dienst gestanden war, einen erhebenden Trauergottesdienst gehabt. Er war auf den Schlachtfeldern von Polen gefallen. Es fielen außerdem auf den Gefilden Rußlands Arno M., Sohn des Bürgermeisters, Wilhelm H., Sohn des Landwirts Paul H. und Oskar V., Enkel des Landwirts Oskar V., alles sehr brave junge Leute, die wir in der Gemeinde in bestem ehrenden Andenken behalten werden. Diesen drei letzteren zu Ehren ist von Herrn Pfarrer Haupt ein Gedächtnisgottesdienst gefeiert worden, leider nicht vom Ortsgeistlichen, dieser war vom August bis Mitte November an Nervenstörungen und Verdauungsbeschwerden erkrankt, und war zwecks seiner Heilung in dieser Zeit vom Orte fast immer abwesend. Daher ist es ihm vorderhand auch nach Wiederaufnahme seiner Geschäfte nicht möglich, den Schulunterricht mit zu halten und es liegt der Gemeinde seitens des Herrn Bezirksschulinspektors die Frage vor, ob es unter diesen Verhältnissen nicht geraten sei, die Schulen von Wohlsborn und Sachsenhausen zusammenzulegen, also die hiesigen Kinder nach Sachsenhausen zu weisen, dies aber wird von der Gemeinde abgelehnt. Die Kenntnisse der Kinder leiden allerdings Schaden, wenn nur die geringe Zahl von 15 Stunden erteilt wird. Aber andererseits fürchtet man für die Gesundheit besonders der kleineren und schwächeren Kinder.

Im Verlaufe des Herbstes sind verschiedene Wohlsborner vorübergehend in die Heimat beurlaubt, so Erwin H., Walter K., Alfred K. Albert R., in Galizien schwer verwundet, liegt in Weimar, Sophienstraße, im Lazareth und geht seiner Genesung entgegen. Arno und Max V. sind schon lange Zeit in Weimar und bilden Rekruten aus. Neu eingezogen sind Max H., Fritz R., August M., Otto M., Rich. N., L. B., Max H., Hermann K., Otto S., Hugo L., von denen einige bereits in Feindesland, in Rußland, Frankreich, Belgien, ja Serbien (M. Hayne als Fahrer) stehen.

Da der Pfarrer nicht ortsanwesend und leidend ist, erleidet der Verkehr zwischen ihm und den Kriegern bezl. die Sendung von Liebesgaben eine unliebsame Pause. Aber umso mehr senden die Einzelnen an ihre Soldaten, die Woche oft 6-8 Paketchen mit Decken und dergl. Sobald der Pfarrer zurück war, wird in der Gemeinde eine Sammlung zwecks Weihnachtsgaben veranstaltet. Diese ergibt das Resultat von ca. 110 Mk ohne einigen Lebensmitteln. Vorher schon waren ca. 75 Mk für die Lazarethe in Weimar und Nahrungsmittel in der Gemeinde gesammelt, und zum Opfertag des Roten Kreuzes am 3. Nov. über 100 Mk eingekommen. Auch sind Hühner und Tauben für die Ostpreußen gespendet worden. Wir sehen es öffnen sich immer wieder hilfreiche Herzen und Hände, und es sind eigentlich nur ganz wenige, die ihre Tasche zuhalten oder entsprechend ihren Mitteln so gut wie nichts spenden.

Die Kartoffelernte wird sehr durch Nässe aufgehalten, ergibt aber ein sehr befriedigendes Resultat. Ende Oktober und Anfang November haben wir wieder gutes Wetter. Doch mit Mitte November setzt der Winter, noch zu früh ein. Er bringt aber glücklicherweise ziemlichen Schnee, so daß die Saat wohlgeborgen ruht. An Futtermitteln ist Knappheit vorhanden, daher sieht man sich genötigt, wo irgend entbehrlich, Kühe, Schafe usw. fortzuschlachten. Schweine zur Aufzucht gibt es wieder in den Ställen, obwohl sie teuer, das Paar zu 50 Mk, eingekauft werden müssen. Erste Ware wird aber auch der Zentner Lebensgewicht bis zu 200 Mk verlangt und auch bezahlt, so daß schließlich feste Preise festgesetzt werden. Die Landwirte müssen auch ihre Kartoffelvorräte für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen, und dürfen für ihren Bedarf nur einen gewissen mäßigen Prozentsatz zurückbehalten.

Man sehnt sich allgemein nach einer Beendigung des Krieges, der so auf alle Verhältnisse drückt, aber der Friede will noch nicht kommen und muß man sich geduldig in die unabänderlichen Verhältnisse schicken. Aber es fehlt so jede rechte Freudigkeit, und selbstverständlich wird auf jede außerkirchliche Feier des Erntedank- und Kirchweihfestes auch diesmal verzichtet. Die Ausgaben der Gemeinde steigen sehr bedeutend, da ihre Mittel durch die Kriegsunterstützungen sehr in Anspruch genommen werden. Werden auch nicht alle Unterstützungsgesuche berücksichtigt, so bleiben deren genug übrig, die Genehmigung finden und die Gemeinde belasten. Aber es ist ja heilige Christenpflicht, wahrhaft Bedürftige zu unterstützen. An männlichen Arbeitskräften fehlt es zu sehr, umso mehr Anerkennung verdienen die, welche noch hier sind und überall Hand anlegen, da und dort zu helfen, so daß die Feldarbeiten bis zur Einwinterung im großen Ganzen besorgt werden. Unser Lehrer Fleischhack wird Leutnant und daß er uns nicht vergessen hat, sieht man daran, daß er uns im November besucht. Möge es ihm weiter so gut gehen, wie bisher!

So kommt zum zweiten Male im Kriege das liebe Weihnachtsfest heran und es ist einfach menschlich und christlich, daß in der Predigt aber das Thema „Und Frieden auf Erden“. Friedensgedenken und Friedenswünsche für das neue Jahr zum Ausdruck gelangen. Die Gottesdienste werden gut besucht, besonders wenn sie in abendlicher Feierlichkeit und Stille stattfinden. Nur die Ziffer der Abendmahlsbesucher ist auf nur 51 Personen herabgesunken. Der Collektenertrag für 1915 ist reichlich ausgefallen, fast 100 Mk, ein Beweis, daß trotz der vielen privaten Sendungen ins Feld und den Gaben fürs Rote Kreuz doch noch Liebe und Interesse genug für die kirchlichen Aufgaben der Gemeinde und das Reich Gottes vorhanden ist. An die Krieger wurden als Weihnachtsgabe wieder stattliche Pakete gesendet, an Zahl 35, und viele Dankschreiben aus Ost und West dafür sind zurückgekommen. Die Witterung seit Weihnachten bis Mitte Januar ist recht unfreundlich, zwar auffallend mild, aber sehr naß und stürmisch. Wie mögen die draußen unter diesem Wetter zu leiden haben, eine schwere Prüfungszeit!

Sämtliches Kupfer wird beschlagnahmt und so müssen denn auch hier statt der kupfernen Kessel andre, besonders aus Stahlblech angeschafft werden. Ebenso werden die Textilwaren und was für unseren Ort ganz besondere Bedeutung hat, die zur Gewehrverarbeitung brauchbaren Nußbäume beschlagnahmt. Doch sie werden nicht gleich abgeschlagen, müssen aber bei Bedarf jederzeit dem Reiche zur Verfügung stehen. Hoffentlich wird unser Ort nicht oder nicht zu sehr dieser Zierde und dieses Schutzes beraubt werden müssen. Waren im Verlaufe des Sommers bedeutend mehr Zusatzkarten zu den Brotmarken (jeder erhält nach letzter 4 Pfd Brot für die Woche) ausgegeben und im Umlaufe, so wurde der Versorgung halber mit Beginn des Jahres 1916 ein großer Teil dieser Zusatzkarten zurückgezogen, so daß nur schwer Arbeitenden über das schulpflichtige Alter hinaus sind und unter 2400 Mk Einnahmen haben, solche erhalten können. Immerhin reicht das auch den Selbstverbrauchern zugebilligte Quantum an Mehl und Brot aus, und es ist hierorts, Gott sei Dank, noch keine Not zu spüren, wenn auch das Kuchenbacken noch immer größre Einschränkung erfährt. Nach und nach macht sich aber der Mangel an Schweinen recht fühlbar. Für Ferkel und Läufer werden geradezu ungeheuerliche Preise gefordert und auch gezahlt, man hört fürs Paar 70 Mk für Schweine ist, wie für die meisten andren Lebensmittel ein Höchstpreis fest gesetzt. Auch beginnen Fette und Öl in Mangel zu kommen. Dennoch läßt hier wenigstens die Mildtätigkeit und Opferwilligkeit noch nicht nach für die Feldgrauen sind im Januar 1916 wieder außer Lebensmitteln neue 119,50 Mk gesammelt, wobei einzelne Gemeindemitgliedern je 5 Mk, ja sogar 15 Mk gespendet haben. Nachdem außer den Weihnachtspaketen danach kleine Pakete mit Zigarren und Tabak an unsre Feldgrauen geschickt waren, können somit wieder verschieden male Liebesgaben der Gemeinde an die Krieger abgehen. Gegen Ende Januar ist aus der nassen Witterung eine trockne heitre geworden, zwar etwas kälter, aber doch völlig erträglich, so daß vorderhand wohl auch für die ohne Schneedecke daliegende Saat keine Schädigung zu befürchten sein wird. Der milde Winter erlaubt es, daß zur Pflege der Äcker fortlaufend gesorgt werden kann, so Gott gibt, mit bestem Erfolg.

Ende Februar des neuen Jahres 1916 hatten wir ziemlichen Schnee, der unsre Wintersaat vor etwaigen Frühjahrsfrösten deckte. Mitte März ist er wieder fortgeschmolzen, und die Saat zeigt sich in seltner Fülle und Schönheit. Möge sie der liebe Gott weiter treu behüten! Denn alles wird teuer und knapp, selbst das sonst in Deutschland so reichlich vorhanden Zucker, der nur noch pfundweise zu haben ist. Aber die Regierung sorgt so gut sie kann. So werden Hülsenfrüchte und Sonnenblumenkerne zur Ölgewinnung der Gemeinde angeboten, auch Arbeitskräfte. Doch wird von letzterem Angebot kein Gebrauch gemacht. Bedauerlich ist es, daß die um den Ortsteich stehenden Pappeln zum großen Teil umgehauen werden müssen, es kommen dafür nur ca. 70 Mk zur Gemeindekasse ein. Eine neue 4te Kriegsanleihe wird ausgeschrieben und insbesondere auch eine möglichst zahlreiche Beteiligung der Landbevölkerung gerechnet. Es müssen eben alle Kräfte aufs Äußerste angespannt werden, daß wir den Krieg und somit den Frieden gewinnen. Denn bei dem Trotz und der Hartnäckigkeit der Gegner, die alles gegen uns mobil machen, selbst das bischen Portugal und die das arme, neutral bleibende Griechenland so plagen, kann leider nur der Krieg den Frieden bringen und zwar unser Sieg, da bei einer Niederlage unsrerseits es uns sehr traurig gehen würde. Wie hartnäckig die Feinde sind, zeigt sich bei ihrem Widerstand um Verdun, wo wir nur langsam Stück für Stück vorwärts kommen können. Viele Lasten, Sorgen und Schmerzen, aber man hat sich daran gewöhnt und trägt sie gottergeben, wenn auch die sehnsüchtige Frage nicht verstummen will, wann denn das Ende komme. Jedenfalls lernt mancher, der früher nie recht dafür gedankt hatte, jetzt das hohe Gut eines gesicherten Friedens schätzen. Ob und wie diese schwere Zeit auf den Einzelnen einwirkt, ob bessernd, wie wir hoffen, oder für Religion und Moral ungünstig, wie wieder andre sagen, das läßt sich nicht genau bestimmen. Das liegt nicht am guten Willen des Einzelnen. Jedenfalls aber müssen denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen und nichts auch Not und Tod nicht, mag uns schaden von der Liebe Gottes, die in Christo Sohn ist, unserem Herrn.

Im März 1916 langt hier die betrübende Nachricht an, daß der einzige Sohn des Landwirts Andreas D., Heinrich ein Ehemann und Vater von 4 kleinen Kindern bei Cartepont in Frankreich von einer Granate verschüttet und zwar leider ein frühes, doch schönes Grab gefunden hat. Trotzdem soll er in die Heimat geholt werden. Jedoch werden die Angehörigen damit bis auf den Herbst vertröstet. Eine erfreuliche Nachricht, die hierher gelangt, ist die, daß Paul M. aus der französischen Gefangenschaft in Toulouse befreit als Internierter in Kerns Schweiz, noch bei Luzern ein reizendes Heim und beste Aufnahme durch die Schweizer findet. Seine Gattin Wanda reist in der Woche vor Pfingsten mit ihrem Vater Karl H. nach dort, um den lang entbehrten zu besuchen. Sehr bewegt nahmen wir teil an den schweren Kämpfen bei Verdun und auch bei Ypern, da verschiedne Wohlsborner dort stehen, bei letzterem August M., bei ersterem Erich S., Alfred und Hermann K., Willy F., Walter E. u.a. Otto M., der die schweren Angriffe im Anfang dort mitgemacht hat, kommt als Verwundeter nach Sangerhausen, wo ihn der Schreiber dieses im Lazareth besucht, und dann nach Apolda, wo auch Ernst U. sich befindet.

Große Sorge hatten die Landwirte wegen der Trockenheit; fast hatte es den Anschein, als würde es wieder so werden, wie im Vorjahr. Da änderte sich, Gott sei Dank, noch zu rechter Zeit das Wetter. Ja es ist jetzt, im Juni, geradezu kalt und trübe; gar kein Sommerwetter, nur 8-10°R (10 – 12,5° C) Wärme tagsüber. Aber die Feldfrüchte haben sich durch den Regen erholt und stehen gut, besonders das Korn. Besonders erfreut der Obstanhang; Kirschen und Zwetschen wird es, wenn nichts dazwischen kommt, recht reichlich geben. Doch macht sich die Fleischknappheit sehr lästig. Fleischkarten und Zuckerkarten sowie Seifenkarten werden auch hier eingeführt. Die Karnikelzucht wird eifrig gepflegt, zumal es nicht an Futter fehlt. Das Glas Bier kostet jetzt 17-18 Pfg., die kleinen Gänse á Stück 2 Mk. Wer was hat, der kann jetzt ganz gute Geschäfte machen. Recht sehr fehlt es an Öl, und Körner müssen sogar pfundweise abgeliefert werden. Trotzdem werden immer noch drauf und dran an die Krieger Lebensmittel und Pakete ins Feld gesendet.

Wie überall so wird auch hier eine Sammlung des deutschen Frauennetzes veranstaltet. Dieselbe ergibt einen Ertrag von 38 M 70Pfg, das gesammelte Geld wird zur Linderung drückender Notstände der Kriegerwitwen, Kindern und Müttern verwendet.

Der erst dies Ostern hier confirmierte Arno K., bei Herrn Bürgermeister T. M. bedienstet bricht, wie vermutet wird, hier in verschiedenen Hallen ein und entwischt in Militäruniform, die er dem gerade auf Urlaub befindlichen, ebenfalls bei Herrn Bürgermeister in Stellung gewesenen A., entwendet hatte. Daß solche Dinge passieren und unseren Ort beunruhigen, ist bedauerlich, hoffentlich aber kein Anzeichen davon, daß die Jugend, wie da und dort gesagt wird, nicht den gewichtigen Ernst der Zeit versteht und sich zu beherrschen weiß.    

Übrigens ist dieser A.Kr. schon mit im Felde an der Maas gewesen, von dort aber zurückgeholt bzw. zurückgeschickt worden. Überhaupt mehren sich die Einbrüche in der Stadt und in den umliegenden Ortschaften. Aber es zeigen nicht blos trübe Erscheinungen, sondern auch gute, so ein unermüdlicher Fleiß der jedes Stückchen in Feld und Garten gut auszunutzen, aufs Eifrigste bestrebt ist.

Besonders erfreulich ist der vorzügliche Stand der Erntefrüchte in diesem Sommer 1916. Sehr gut macht sich besonders das Korn, auch das Futter, das dreimal geschnitten werden kann. Sichtbar und fühlbar ist die Hilfe Gottes in so schwerer Zeit und darum kann unser Dank gar nicht groß genug sein. Das Erntewetter läßt sich gut an. Nach längerer Kälte und Nässe noch im Juli (das Thermometer zeigt oft nur 8-10° Reaumur an) tritt nun eine Periode der Trockenheit ein.

Sehr gut steht auch das Gemüse in den Gärten und der Obstbehang, besonders an den Zwetschen ist geradezu überreich. Trotzdem ist alles teuer genug die Frühkartoffeln kosten z.B. pro Zentner 8-10 Mk. An Fleisch ist Mangel und nur gegen besondere Karten erhältlich. Aber auch auf diese erhält man in vielen Fällen kein Fleisch. Schweine dürfen nur mit behördlicher Genehmigung in seltenen Fällen geschlachtet werden. Die Zucht von Sauen blüht, ebenso die Karnikelzucht. Das Pfd. Karnikelfleisch wird sogar mit 28 Groschen (2Mk80) bezahlt, ein Ei kostet 20-22 Pfg., eine Gans 25 – 30Mk. An Öl und Zucker sowie Seife ist großer Mangel, und man weiß oft nicht, was man den Soldaten schicken soll. Dennoch gehen immer Pakete an die Front von Einzelnen und von der Gemeinde.

Am 23. Juli fand zum Besten der Liebesgabenkasse eine ernste Feier im Strobach’schen Garten statt mit Vortrag über Ostpreußen und Kurland. XXX XXX und gesangliche Aufführungen der Schulkinder. Die Männer fehlten, aber immerhin war der Besuch gut und kamen 48 Mk ein, alle waren sehr zufrieden und sichtlich erbaut. Die Gottesdienste werden in der Ernte abends entweder um 6 oder 8 Uhr gefeiert, damit der Erntebetrieb auch am Sonntag keine Störung erleidet. Der Dank für dies Entgegenkommen zeigt sich nicht blos mit Worten, sondern auch damit, daß diese Abendkirchen gut besucht wurden.

Mehrere Krieger sind 2-3 Wochen hier auf Ernteurlaub. Es werden Arbeitskräfte von der Behörde angeboten, so Unteroffiziersschüler. Jedoch davon kein Gebrauch gemacht, das weniger deshalb, weil etwa an Arbeitern kein Mangel wäre, aber man will durch fremde Leute nicht geniert sein. Auch hat man nicht das rechte Zutrauen dazu, ob sie etwas leisten. So hilft man sich eben durch, wie es gerade geht. Daß die Friedenssehnsucht wächst, läßt sich denken. Aber der 17. August, an dem das Kriegsende geweissagt ist, geht vorüber und noch ist kein Ende abzusehen. In West und Ost stehen unsre Heere jetzt in der Verteidigung gegen einen Feind, der um jeden Preis durchbrechen will und dabei sich immer mehr erschöpfen muß, trotz kleiner Erfolge. Aber auch wir werden mit unsrer Geduld auf eine harte Probe gestellt. Man hört jetzt viele Klagen und Anklagen, ob sie berechtigt sind, läßt sich von hier aus schwer ermessen. Fehler sind ja auch unvermeidbar bei dieser hochgradigen Spannung der Nerven und nicht alles ist so schwer ernst zu nehmen, was da und dort gesagt und geklagt wird. Für die Gefangenen sind

48,70 Mk gesammelt worden. Erwin H. ist zum Unteroffizier, Arno V. und Alfred H. sind zu Gefreiten befördert, neu eingezogen wird Paul S.. Am 1. Oktober 1916 wurde auch hier eine Opfergabe für die deutsche Flotte gesammelt und sind 40 Mk an die Kasse abgeliefert worden. Leider waren die Beiträge hier spärlich eingegangen. 23 Mk sind gesammelt zur Beseitigung von Notständen sittlich-religiöser Art, die durch den Krieg entstanden waren. Eine Extragabe von 36 Mk ist uns für die Krieger von Herrn Bürgermeister T. M.zugeflossen.

Vermißt werden Karl W. und August M., die mit in den schweren Kämpfen an der Somme waren. Unteroffizier Oswald L. hat das Eiserne Kreuz erhalten, ebenso Erich S., der verwundet ist.

Zwetschen sind sehr reich geerntet und pro Ztn mit 10 Mk bezahlt worden, auch sind sehr schöne Runkeln gediehen (Ztn 2,50 Mk), nur steht die Kartoffelernte gegen das Vorjahr zurück und ist nur ganz mittelmäßig ausgefallen. Unter den Schweinen macht sich vereinzelte Krankheiten bemerkbar, die zum schnellen Abschlachten nötigen, fehlt es doch auch an Futtermitteln, da die Kartoffeln, außer kleinen und schlechten, nur zur menschlichen Nahrung benutzt werden dürfen.

Alles an Kartoffeln irgend Entbehrliche ist für die Städte beschlagnahmt. Eine große berechtigte Erbitterung herrscht darüber, daß die großen Güter nicht genügende Kartoffeln gebaut hatten. Müssen doch an die Hunderte von Zentnern für deren Arbeiter von den Gemeinden bezl. dem Communalverbande geliefert werden. Ende Oktober tritt für einige Tage ein kleiner Frost ein, der dazu mahnt, rasch alles auf dem Felde noch befindliche einzuheimsen.

Indes nennenswerter Schaden ist durch ihn nicht geschehen. In jeder Weise kommt die Schulbehörde jetzt dem Bedürfnis nach Arbeitskräften mit Freigaben der Schule entgegen, Fortbildungsschule xxx erst vom 1. Dezember an. Die einzelnen Wirtschaften bekommen aus den Weimarschen Lazarethen in ausgiebiger Weise Reconvaleszenten zur Aushilfe und bei dem im allg. günstigen Herbstwetter rückt die Arbeit vorwärts. Aber wochentags wie sonntags ist keine Pause und Ruhe, ein fortwährendes Hetzen und Jagen!

Indem wir nun in das Jahr 1917 eintreten, so empfängt uns der Januar mit einer Kälte, die seit langem unbekannt war, müssen wir doch am Thermometer bis 12° (-15°C) Reaumur Kälte feststellen und zwar dauert diese Kälte wochenlang, bis mit Anfang des Februar wärmere Witterung eintritt. Gott sei Dank, daß viel Schnee draußen liegt! Immerhin die Kälte dringt in die Gruben und auch in die Keller ein und verursacht Schaden, Kaninchen gehen kaputt usw. Die Züge der Rastenberger verspäten sich um ein Bedeutendes und man rückt um den warmen Ofen zusammen. In der Stadt fehlt es an Kohlen und müssen darum sogar die Schulen geschlossen werden. Unsre Kinder haben Frieseln und gehen ganz unregelmäßig zur Schule. Die Kirche ist so gut wie nicht besucht. Wie mögen erst unsre Soldaten da draußen frieren!

Vor dem Weihnachtsfeste hatte zum Besten derselben ein kleines Kirchenkonzert stattgefunden, ausgeführt von Herrn Lehrer L. in Sachsenhausen, Albert R. und Paul Kunze hier, sowie von Frl. Johanna W. in Leutenthal , auch die Kinder der vereinigten Schule Sachsenhausen-Wohlsborn sangen und der Ertrag war 32 Mk und sind wieder große Weihnachtspakete mit Obst, Kuchen, Zigarren und Zigaretten an unsre Treuen im Felde abgegangen.

Leider war weder das Konzert noch ein später stattfindender Familienabend mit Vortrag über die Deutschen in Österreich-Ungarn entsprechend besucht. Man bleibt mit seinen Sorgen am liebsten daheim und gewöhnt sich das Ausgehen ganz ab; die Zivildienstpflicht wird eingeführt und ist z.B. der Gastwirt S. die ganze Woche auf Arbeit fort nach Sömmerda.

Im Dorfe werden 15 Schweine für den Communalverband verlangt und mit Mühe und Not zusammengebracht. Der Butterverbrauch für die einzelnen Wirtschaften des Dorfes wird durch die Molkerei in Liebstedt weiter beschränkt. Bezugsscheine auf Schuhsohlen für Minderbemittelte verteilt. Die Städter überlaufen uns, um alles was an Quark usw. noch da ist, mit Geld und guten Worten aus dem Dorfe herauszuholen. Die Sammlungen hören nicht auf, für die Hindenburgfestspende kommen ½ Ztn. an Fett, Speck und Wurst im Dorfe ein, auch an unsre Krieger werden fortlaufend von der Gemeinde gute aus der Fabrik bestellte Zigarren ins Feld geschickt.

Verschiedne Dankesbriefe der Krieger kommen in der Gemeinde zur Verlesung. Die neue Phase des verschärften U-Bootkrieges wird lebhaft besprochen, man hofft, daß dadurch der Krieg eher zu Ende kommt. Denn die Preise steigen noch über die des Vorjahres hinaus, nicht bloß für die Waren, für die Höchstpreise bestimmt sind. Sondern die ganze Lebenshaltung verteuert sich und man ist nur froh, wenn man überhaupt Bezugsscheine erhält, auf Grund deren man z.B. Kleidungsstücke oder Wäsche, xxx Handschuhe sich kaufen darf, und dabei ist noch nicht ausgemacht, daß man in den Geschäften noch etwas erhält.

Man faßt sich an die Stirn und fragt sich, ob das noch Menschen und vollends Christen sich, die sich so das Leben in jeder Weise verbittern und erschweren. Man fragt sich: Was nutzt alle außer Cultur und Bildung, wenn das Herz nicht mehr auf dem rechten Flecke und in der alte Verfassung ist, jedenfalls weil die Menschen im Glauben so schwach geworden sind, daß viele ihn selbst in den Prüfungen der Not nicht wiederfinden, sondern das bischen Glauben noch verlieren, das sie noch übrig hatten. Aber ein wenig Öl kann das Licht nicht genügend erleuchten, zumal wenn ein starker Luftzug hineinbläst.

Am 19. Febr. war wieder ein Opfertag für das Rote Kreuz und wurden 60 M.40 Pf. dazu gesammelt, wobei wir manche freudige Überraschung und noble Gesinnung, aber auch bittre und betrübende Erfahrungen machen. Denn von Leuten, die in Mitteln sind und keine Sorgen weiter haben, sollte man erwarten, daß sie nicht mit geradezu winzigen Beträgen und mit übeln Worten sich an unsern Liebeswerken beteiligen.

Ende Februar betrübt uns aufs Tiefste, die Nachricht, daß wieder ein Wohlsborner, unser lieber Hermann H., auf dem Felde der Ehre verwundet ist und einen frühen Tod im Lazareth gefunden hat. Wie so viele andre, wird auch diesem Kämpfer für die Heimat, bei uns ein dauerndes Gedächtnis der Liebe und Treue unter uns bewahrt bleiben! Ferner hören wir, daß Erwin H. zum Sergeanten befördert und Max H. das Eiserne Kreuzerhalten hat. Leider haben wir an Letzteren wegen Unkenntnis der Adresse, da wir sie nicht einmal von seiner Gattin erfahren, von der Gemeinde aus nichts mehr schicken können, ebenso wenig an Richard N., da seine Frau und er selber sich diese Zusendungen verbeten hat und es uns fern liegt, aufdringlich zu werden.

Mit Ende Februar sinkt der Schnee zusammen, aber es bleibt noch kühl, obwohl die große Kälte völlig nachgelassen hat. Wie tief die Not des Kriegs in die Wirtschaftsverhältnisse eingreift, mag man daraus ersehen, daß das Brot bis 94 % ausgemahlen werden muß und ¾ Pfd. Kartoffeln á Person berechnet werden. Ja wenn doch noch Kartoffeln zu haben wären! Aber aus den Großstädten z.B. Berlin haben wir sichere Nachrichten, daß man Tage lang, ja Wochen lang ganz ohne solche leben muß. Die Kohlrübe ist jetzt das Mädchen für alles und muß die Kartoffel ersetzen helfen. Was Wunders, wenn da die Städter aus Weimar fast Tag für Tag mit ihren Rucksäcken und Kartons kommen, um dies und jenes zu kaufen, ja sogar Leute aus Leipzig.

Aber schon ist auch die Polizei auf dem Wege, um die Waren zu confumiren (konfiszieren?) und die Schuldigen zu bestrafen. Selbst die Spüligfässer werden daraufhin untersucht, daß man das Vieh mit der so wertvollen Kartoffel füttere.

Das Frühjahr mit seiner Aussaat weckt neue Hoffnung in den Herzen. Aber schon ist wieder ein neuer Plagegeist da. Nach dem kalten und nassen Winter stellt sich ein heißer und trockner Sommer ein. Die Aussaat geht stellenweise schlecht auf oder verkommt wieder, ganze Felder leiden oder sterben nach und nach ab. Es ist eine Mühe mit dem Pflanzen, Harken, Gießen. Doch unermüdlich wird die Arbeit getan, und das „Arbeite“ verbunden mit dem „Bete“ hat Erfolg. Nachdem der Mai und Juni so ziemlich ohne Feuchtigkeit geblieben waren, ja der Juni nun Hitze von 30-40 °R (37,5-50 °C) tageweise bei ständiger Ostluft gezeigt hatte, trat Ende letzteren Monats endlich mal ein Regenwetter ein, das sehr wesentlich half, wenn es auch noch viel mehr und länger hätte regnen können. Aber man lernt es jetzt, dem Herrn für alles dankbar sein, auch die kleinste Gabe + Seiner Güte und Langmut. Es wird ja dies Jahr recht an Stroh fehlen. Aber der erste Futterschnitt war sehr ergiebig und auch der zweite verspricht etwas zu werden. Auch scheint es einigermaßen Körner zu geben, Obst weniger. Kirschen sind reichlicher vorhanden und werden nun an die Ortsbewohner verkauft. Der Höchstpreis ist auf 35 Pf. bzw. 45 Pf. fürs Pfund festgesetzt. Das Liter Heidelbeeren kostet auf dem Markt 1M.20Pf., das Häubchen Salat 30Pf, die Gurke 50Pf. noch im Juni zl. Anfangs Juli, teure Zeit im Lande! In Sachsenhausen werden die Kirschen der Gemeinde bis auf die von der Straße nach Leutenthal an die Stadt Weimar verkauft, für den fast unglaubhaften Preis von 11000 Mk (Elftausend Mk).

Ende Juni werden die große und mittlere Glocke zwecks Kriegsbedarfs beschlagnahmt und zerschlagen. Zum Glockenabschied wird am 1. Juli abends ein sehr zahlreich besuchter Gottesdienst gefeiert. Da sieht man, wie sehr die Gemeinde an ihren Glocken hängt und wie sehr dieser Verlust in die Herzen schneidet. Doch man muß der Not gehorchen!

Die Kinder versäumen wieder recht die Schule, weil sie beim Hacken helfen müssen, erst danach wird es mit dem Schulbesuch wieder besser. Der Pfarrer erbietet sich zurück bleibenden Kindern nachzuhelfen, indes fühlt kein Haus, das Bedürfnis, von dieser Hilfe Gebrauch zu machen. Sonst kann man den Kindern nur das gute Zeugnis ausstellen, daß sie den Ernst der Zeit wohl verstehen, gehorsam sind und den Müttern fleißig helfen, Rohheiten kommen Gott sei Dank nicht vor.

Vom Kriegsamt aus ist eine organisierte Jugendpflege in die Wege geleitet, auch eine Seelsorgestelle (Frau Pfarrerin Kunze) eingerichtet. Zu Pfingsten war der Pfarrer einige Tage in Jena zwecks eine Kurses wegen Kriegsernährung, den die Professoren Immenhoff, Noll und Matthes bei zahlreichem Besuch abhielten. Sie erklärten die jetzige mehr vegetarische Lebensweise für ausreichend, jedenfalls sei sie gesünder als die frühre Überladung des Magens mit Fett und Fleisch.

Herr Bürgermeister T. M. reiste zu Pfingsten mit Enkel und Schwiegertochter in die Schweiz zum Besuch seines dort internierten Sohnes Paul. Willy F. erhält das Eiserne Kreuz, Erwin H. und Wilhelm M. sind zu Sergeanten befördert.

Sehr besucht war auch die Kirche, als Albert R., der lange im Krieg gewesen war und nun als nicht mehr kriegsverwendungsfähig entlassen ist, mit Lydia B. am 3.Juni getraut wurde.

In diesem selben Monat wurde der Wirtschaftsplan der Gemeinde aufgenommen rs. sämtliche Bewohner mußten angeben, was sie dies Jahr besät und bepflanzt haben. Die Gerste wird bis ausschl. der Saatgerste, von vornherein beschlagnahmt. Sehr fühlbar macht sich der Kohlenmangel und die Teuerung des Holzes, die Preise steigen auf das Doppelte ja das Dreifache, der Zucker zum Einmachen wird nur die Hälfte des angegebenen Bedarfs gewährt, wer aber je 6 Pfd. pro Person erhält, muß für den Communalverband einmachen. In der Weise haben es die Städter uns gegenüber, die wir für sie arbeiten müssen, doch gut, zumal letztere sich allerlei Vorteilchen.

Städter, die vordem sich fast nie auf dem Dorfe haben sehen lassen, erinnern sich dessen, daß es noch Dörfer gibt und es sich hier eben auch noch leben läßt, jetzt sehr viel besser als in der Stadt, wo eine Portion Quark mit Kartoffeln in der Restauration 1M50Pf kostet und was soll man sonst noch über die ungeheuren Preise sagen und klagen über alles, sogar das Papier, Bindfaden Zigarren u.s.w. Letztre z.B. kosten mindestens 35 Pf. fürs Stück. Aber man kann ja nur froh darüber sein, wenn man was im Kaufladen kriegt, und sei es nur eine Rolle Zwirn für 7 Mark.

Hier auf dem Lande fehlt es auch an manchem z.B. an Gemüsesämereien, die sehr teuer werden. 10 gr Rotkraut z.B. kosten 1,50 M. Die Schweine sind ja dem Höchstpreis nach zu Gunsten der Stadt viel zu billig. Denn wenn der Zentner Lebendgewicht auf 60 – 80 Mk bestimmt ist, was kann man da viel verdienen, wo doch die Kartoffeln pro Zentner 6 Mk Kosten. Aber Gott sei Dank das Jahr 1917 ist ein vorzügliches Kartoffeljahr, da der Acker im Durchschnitt 100 Ztr. und mehr ergibt. Aber die anfängliche sehr bängliche Trockenheit des Jahres hatte doch die Körnerernte zu sehr geschädigt, Hafer gab es wenig, und er war ganz klein und kurz im Wachstum geblieben. Gott sei Dank, daß wenn auch ziemlich spät, doch noch Regen kam! In diesem Sommer 1917 gerieten die Bohnen sehr gut, auch gab es viel Birnen aber wenig anderes Obst, Äpfel wurden zu sehr hohen Preisen verhandelt. Übrigens das Geld – und man sieht fast nur oft halbzerlumptes Papiergeld – spielt bei vielen Leuten keine Rolle mehr, da so viel in den Fabriken u.s.w. verdient wird. Oder man muß vielmehr sagen, das Geld verliert an Wert, so daß man jetzt oft das Dreifache an Geld braucht, da, wo man früher mit einer Mark auskam. Der Winter 1917/18 ließ sich erst als ein harter Mann sehen, der viel Kälte und Schnee brachte. Es mußte sehr mit Kohlen und sonstigen Brennmaterialien gespart werden, und da mag mancher eine Erkältung davon getragen haben. Es zeigen sich viele Krankheiten besonders bei Kindern z.B. Masern, sie werden meist rechtzeitig gleich ins Krankenhaus gebracht und dort aufgenommen.

Im Beginn des Winters wurde eine kleine Hindenburgfeier gehalten und die Jugendpflege eingerichtet, die sich sichtlicher Beliebtheit und Teilnahme bei den jungen Leuten erfreut. Die regelmäßig an Sonnabenden und Sonntagen stattfindenden Gemeindeversammlungen, wo immer neue Bestimmungen vorgelesen und die Lebensmittelmarken bezl. Mehlkarten verteilt werden, sind gut besucht, so geht eben die Zeit hin in langsamen Harren darauf, daß wenigstens das Jahr 1918 ein gutes Ende und den ersehnten Frieden bringen möchte.

Vermißt werden Otto R. und Willy F. in den bösen Kämpfen bei Ypern. Letztrer wird als in englischer Kriegsgefangenschaft befindlich gemeldet, jedoch hat er bis jetzt noch nichts von sich hören lassen. Noch zweimal wurden, da die Gemeinde reichliche Beiträge – fast 300 Mk dazu gesammelt bezl. zur Verfügung gestellt hatten, reichliche Gaben besonders an Zigaretten und Zigarren ins Feld gesendet, dann aber die Restkasse mit 40 Mk dem Kriegerverein zu weiterer Verwendung übergeben, da das Comité, das viel Arbeit und manchen Ärger gehabt hatte, sich auflöste. Auch gibt es ja so gut wie nichts mehr hier im Innern des Landes zu kaufen. Große Massen von Stroh u.s.w. müssen ans Heer geliefert werden, da hilft kein Murren und Knurren. Zur Not hilft man sich mit Laub, das aus dem Ettersberg für billigen Preis zur Verfügung gestellt wird, aber meist liegt das kärglich gefütterte Vieh auf sehr spärlicher Streu. Die Bahn ist ganz überfüllt, und fährt nur noch mit je 3 Zügen, früh 6 Uhr, nachm. 1 Uhr, abends

7 Uhr, oft verspätet, ja die Züge kommen nicht, weil sie unterwegs Defekte erlitten hatten oder im Schnee stecken geblieben sind. Jedoch man muß unserem Bähnchen seine Ehre lassen, sie plagt sich tüchtig und tut, was sie kann.

Mit Pferden ist es knapp bestellt, da neue ausgehoben werden, die Schweine müssen abgeschlachtet werden, damit an Kartoffeln gespart werde, besonders über die Ferkel geht es her. Die früher gering geachtete Ziege kommt zu hohen Ehren. Es werden pro Stück 100-200 Mk und noch mehr bezahlt.

Da das Geläute mit der einen noch nicht beschlagnahmten kleinen Glocke zu mangelhaft ist und im Orte so wenig hörbar ist, so steht man dem Angebot der Firma Schilling und Lattermann zu Apolda nicht ablehnend gegenüber, gut klingbare Gußstahlglocken zu besorgen. Sollten die für Sachsenhausen schon bestellten sich dort bewähren, so soll ein solches neues Geläut mit neuem Läutewerk auch hier baldmöglichst angebracht werden.

Der Winter läßt sich im Allgemeinen ziemlich mild an, viel milder als im Vorjahr und fast ohne Schnee, nur einige Tage lang waren solche große Schneemassen da, wie seit längerer Zeit nicht. Hilfsdienstkräfte mußten im Dorf, auf der Chaussee und Bahnstrecke antreten, um Raum zu schaffen, was auch verhältnismäßig schnell gelang. Feuchtigkeit gibt es genug im Boden, da der Winter im Allgemeinen feucht und trübe. Über den an der Ostfront geschaffenen Frieden herrscht auch hier Befriedigung, aber leider hatte der zur Feier derselben angesagte vaterländische Abend einer zugleich stattfindenden notwendigen Gemeindesitzung wegen nicht stattfinden können. Für die Orte Wohlsborn, Leutenthal und Sachsenhausen wird ein gemeinsamer Darlehnsverein durch die Raiffeisen-Centrale in Erfurt gegründet, mit dem Sitz in Erfurt. Von hier aus treten 13 ein. Vorstand ist Bürgermeister S. in Sachsenhausen, Vorsitzender des Aufsichtsrat der hiesige Pfarrer, Rechnungsführer Landwirt Osw. H. in Sachsenhausen. Möge es der Gemeinde zum Segen gereichen und den kleinen Landwirt stärken. Nötig wird es ja sein, da mit Eintritt des erhofften Friedens die wirtschaftlichen Notstände noch lange nicht gehoben sein werden. Für die Hinterbliebenen der im Krieg Gefallenen werden nebst einer Extragabe von

20 Mk zus 34,35 Mk gesammelt. Fortwährend müssen behördliche Verordnungen verlesen werden, die sich geradezu überstürzen, oft wird, zumal sie nicht immer ganz klar sind und verstanden werden, heftiger Unwille darüber geäußert. Die Ungeduld wächst und empfindet man den langen Krieg als eine harte Probe. Wer hätte das gedacht, daß er so lange dauern könnte. Und doch ist man sehr froh darüber, daß Dank der Tapferkeit unsrer Heere und der umsichtigen Kriegsleitung Hindenburg die Zerstörung weit von unseren Fluren und Gauen fern bleibt. In den Abenden der Jugendpflege geht es gemütlich zu. Da wird gelesen, gesungen, gespielt und dabei fleißig gestrickt. Auch junge Frauen der Gemeinde nehmen gern teil. Man empfindet es, das oft eine gute Einrichtung ein Sorgenbrecher in dieser ernsten, schweren Zeit. Auch ein Krieger, der für das Maschinenfach ausgebildete Matrose Hugo K. nahm auf Urlaub befindlich an einem dieser Abende teil.

Gedächtnisgottesdienste für Gefallene oder andauernd Vermißte werden nicht mehr gehalten, da sie von den Beteiligten nicht mehr erwünscht erscheinen, ihrer wird z.B. zum Totenfeste gedacht.

So rückt denn die vierte Confirmationsfeier heran, die wir im Kriege feiern, ernste Tage, da die Väter verschiedener Kinder fern im Felde weilen. Das letzte Jahr des Kriegs geht in weiterer Sorge dahin wegen der im März 1918 beginnenden siegreichen Offensive, auf die dann leider das langsame Zurückweichen folgt. Es macht sich hier unter uns ein Zusammensinken der Widerstandskraft bemerkbar. Dies daher, daß die auszusendenden militärischen Hilfskräfte immer mangelhafter werden, warum die der Feinde infolge der amerikanischen Unterstützung wächst. Auch machen sich in den Großstädten die Zeichen von Unterernährung und daraus entstehende Krankheiten sichtlich die Grippe hält auch unter uns ihren Umzug und hat man wenig Widerstand gegen sie aufzubieten. Auch hier wirft sie viele Ortsbewohner auf das Krankenlager, ohne indes große Opfer zu fordern. Nur ein Kind ist daran verstorben.

Die Ernte des Jahres ist günstig, obwohl wir anfangs des Sommers unter einer beängstigenden Trockenheit zu leiden hatten. Auch erfroren stellenweise die Bohnen und die Frühkartoffeln. Letztere mißrieten teilweise, wie überhaupt die diesjährige Kartoffelernte gegen das Vorjahr abfiel. Die Preise besonders für die städtischen Waren erreichen gegen früher eine fast unglaubliche Höhe, aber Geld gibt es genug, da immer mehr Papiergeld auf den Geldmarkt geworfen wird. Da erreicht uns im Anfang des November die Nachricht vom Waffenstillstand und gleich darauf die, daß die Revolution in Deutschland nach dem Zusammenbruch von Bulgarien und der Türkei und nach dem Zerfall des Kaiserreichs Österreich-Ungarn ausgebrochen ist. Einesteils wird sie freudig begrüßt, da der Druck der Bürokratismus und Militarismus eine bedenkliche Höhe erreicht hat und auf vielen Herzen wie ein Zentnergewicht lastet. Aber andererseits ist man doch zu sehr durch das Neue und Ungewisse erschreckt, vor das man auf einmal nach Versagung des Großherzogs und der anderen Reichsfürsten gestellt ist. Immerhin geht die völlige Umstellung aller politischen Verhältnisse viel ruhiger vor sich, als man befürchtete, bes. auch bei uns in Weimar. Dies einmal wegen der maßvollen Haltung der Mehrheitssozialisten, das Regiment im Lande übernimmt der Volksbeauftragte, Reichstags- und Landtagsabgeordneter August Baudert mit dem Arbeiter- und Soldatenrat. Die Beamten leisten, ebenso wie die Bürger keinen Widerstand, um Blutvergießen zu vermeiden, und fügen sich der Neuordnung der Dinge. Immerhin schweben diese in der Luft, solange sie nicht durch neue einzuberufende Nationalversammlung fest begründet ist. Die Wahl hierzu wird auf den 19.Januar 1919 festgesetzt und da vorgenommen. Es wählen jetzt zum ersten Male alle Personen über 20 Jahre, darunter auch den weiblichen Geschlechtes.

Das Resultat hier ist dies, daß von 120 Wahlberechtigten 102 wählen, wovon 56 Demokraten, 14 Deutschnationale, 31 Sozialdemokraten, letztre alle gemäßigter Richtung. Man will nicht ganz nach links, aber auch nicht wieder unter die Herrschaft der Großagrarier, sondern am liebsten hätte man eine starke Bauernvertretung auf mittlerer Linie. Schritte, eine solche zu bilden, sind auch hier mit dem einstweiligen Erfolge getan, daß sich ca. 20 dazu anmelden. Das Interesse an den großen politischen Fragen der Gegenwart und Zukunft wacht auf, und diese Dinge werden überall lebhaft erörtert. Vorderhand überwiegt noch die bange Sorge, ja Niedergeschlagenheit, da Aufstände auch in unsrer Gegend befürchtet werden. Nach und nach kehren mit Ende des Jahres 1918 die Krieger heim und werden in einem besonderen, sehr feierlichen und stark besuchten Gottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertage von der Gemeinde festlich begrüßt. Die Kirche war zu diesem Zwecke festlich geschmückt, leider nicht auch die Straßen des Ortes. Der Winter läßt sich mild, ja zu mild an, das wird nicht angenehm empfunden, da die recht reichlich sprießende Saat eine Schneedecke braucht. Doch mit Ende Januar 1919 fällt etwas Schnee. Sehr haben wir unter dem fühlbaren Mangel von Brennmaterial zu leiden, auch ist die Rastenberger Bahn überfüllt. Der Herr Lehrer Fleischhack ist wieder da, und hält hier wieder Schule. Inzwischen ist ein Raiffeisendarlehnsverein gegründet worden, mit dem Sitz in Sachsenhausen, von hier gehören ihm 13 Personen an. Der bisherige Umsatz beläuft sich in dreiviertel Jahren schon auf ca. 80000 Mk. Im Verlauf des Jahres 1919 kehren nacheinander die Kriegsgefangenen zurück, so Walter E. aus der der Engländer, ebenso Edgar K. Karl W. gelingt es aus der Gefangenschaft der Franzosen zu entkommen. Zu Ehren der Gefallenen und Kriegsvermißten wird ein Ehrendenkmal beschlossen, das in die Nähe der Kirche kommen soll. Leider sind die Kosten so hoch berechnet, daß vorderhand die Ausführung wohl noch eine Zeit wird warten lassen müssen. An der Aufbringung der Kosten will sich außer den Hinterbliebenen auch die Gemeinde und die Kirche beteiligen. Die Gründung einer hiesigen Ortswehr wird beschlossen, gelangt aber wegen Mangels an Schießwaffen nicht zur Ausführung. Die Zeiten sind unruhig, so kommt es bei Anlaß des Kapp’schen Putsches zum Beginn des Jahres 1920 im benachbarten Weimar zu großen Unruhen. Aber wir auf dem Lande werden in Ruhe gelassen, nur sind die Straßen täglich voll sogen. Hamsterer. Die Preise für Lebensmittel steigen und erschweren das Leben sehr für die, die solche kaufen müssen. So haben die Arbeiter, von ihrem reichlichen Verdienst (ca. 3-5 Mk pro Stunde in der Stadt, 1-2 Mk auf dem Lande) nicht viel übrig. Umso schlimmer geht es den Beamten, die nur ganz geringe Notzulagen erhalten. Da mit der Landwirtschaft etwas zu verdienen ist, steigen die Acker- und Pachtpreise. Für 1 Acker(1 Acker entspricht in Sachsen- Weimar- Eisenach 28,4971 a) werden hier 80-100 Mk geboten, Pfarracker aber an die kleinen Leute für nur 60 Mk gegeben. Ob wir Dank für dieses soziale Entgegenkommen haben werden, das bleibe dahin gestellt. Herr Bürgermeister M., der so lange die Sorgen der Gemeinde getragen, zuletzt die vielen und schweren Kriegssorgen, legt nun wegen hohen Alters sein Amt nieder und übergibt es dem neu gewählten Bürgermeister Hugo F. An Stelle von Robert F. wird Max H. Gemeindevorsitzender. Es kommt in der Gemeinde nach und nach alles wieder in Ordnung auch die Finanzen derselben. Zur Stärkung dieser wird zum Beginn des Jahres 1920 das Hölzchen an der Straße nach Weimar entholzt und werden dafür ca. 6000 Mk gelöst, auch ein Wahrzeichen dieser teuren Zeit. Auch die Schule kommt wieder in Ordnung, damit daß an Stelle des nach Weimar versetzten Lehrers A. Fleischhack nunmehr Herr Paul Fischer aus Kaltennordheim, Kriegsbeschädigter und verheiratet, eintritt. Leider läßt das kirchliche Leben sehr zu wünschen übrig. Leute, die früher noch zur Kirche kamen, lassen sich nicht mehr sehen; ein allgemein beobachtetes betrübliches Zeichen der Zeit. Zum Teil mag das ja an der ungeheuren Arbeit liegen, die die Not der Zeit mit sich bringt. Trotz der hier sich besonders geltend machenden Trockenzeit des Sommers 1919 ist die Ernte genügend, und setzt die neue Ernte mit dem milden und frühen Winter 1919/20 und dem frühen Frühjahr 1920 hoffnungsvoll um. Wir schließen diesen bis in die ersten Zeiten des Friedens hinein reichenden Kriegsbericht mit den besten Wünschen für die Zukunft Deutschlands und unsrer Gemeinde. Viele malen schwarz in schwarz und lassen die Köpfe hängen, aber wir lassen uns nicht davon umwerfen. Wir tun ruhig unsre Pflicht im Aufsehen zu Gott, die Not der Zeit möge nur dazu mithelfen, das Vaterlandsgefühl in uns wieder lebendig zu machen und wach zu erhalten.

Das walte Gott!

Einweihung des Kriegergedächtnismales

Schon lange war bei den Angehörigen unsrer im Kriege Gefallenen und Vermißten der Wunsch rege, es möchte zum Gedächtnis derselben ein Erinnnerungszeichen vorhanden sein, späteren Geschlechtern eine ernste Mahnung und den nicht Heimgekehrten zur besonderen Ehre.

Innerhalb der Gemeinde fühlte man das Bedürfnis, daß diese Sache eigentlich von ihr in die Hand genommen und durchgesetzt werden müßte. Waren doch die Krieger nicht blos für den Einzelherd ihrer Familie, sondern zum Schutze der Heimat und des Ortes im Felde geblieben.

Leider wurden in der Gemeinde einzelne Stimmen laut, die die Hinterbliebenen verletzen mußten, daher sie auf die Beihilfe der Gemeinde verzichteten. Von einzelnen angebotene Gaben wurden daher auch abgewiesen.
So kam es, daß die Hinterbliebenen allein auf ihre Kosten einen von einer Firma in Lützen hergestellten Gedächtnisstein besorgten, der seinen Platz in der Stelle des alten Friedhofs vor dem Gotteshause finden sollte. Dieser Platz wurde vom Kirchenvorstand gern eingeräumt.

Am Sonntag 12. Sept. 1920 nachm. 2 Uhr fand unter Beteiligung der Kriegshinterbliebenen, der Gemeinde und der Vereine vieler von auswärts die Feier der Weihe statt. Unter feierlichem Geläute der Glocken sammelte man sich auf dem Friedhof, um den stattlichen noch verhüllten Stein und hörte man in tiefer Andacht die Ansprache des Ortspfarrers an, die in ein weihevolles Gedicht ausmündete das als Anfang herbeigegeben werden soll.

Beim Senken der Fahnen & dem Klang der Glocken fielen die Hüllen und zeigten und zeigten sich die unvergeßlichen Namen, die tief in unsre Herzen eingegraben sein sollen. Darauf wurden nach einander unter Weiheworten Kränze niedergelegt von den Hinterbliebenen, und den Kindern der Gefallenen, von den Kriegsteilnehmern, die glücklich heimgekehrt waren, von dem Kriegerverein, von der Gemeinde, vom Burschenverein einschl. der Mädchen, vom Gesangverein. Nun sang der Gesangverein das tiefernste Lied „Ach wie ist‘s Sterben doch so schwer“ worauf namens der Kriegsteilnehmer Herr Lehrer Fischer eine kräftige Ansprache hielt. Mit dem Lied „Ich hatte einen Kameraden“ schloß die Feier, die mit dem gemeinsamen Gesang „Eine feste Burg“ eingeleitet worden war. Sie dauerte etwa 1 ½ Stunde und wird allen wegen ihrer würdigen Feierlichkeit in bleibender Erinnerung sein. So unharmonisch die Vorbereitungen verlaufen waren, so harmonisch war dieser Abschluß. Die schönen wertvollen Kränze sollen wieder im Gotteshause Aufbewahrung feiern. Am Denkmal selber sollte Jahr für Jahr eine kleine Gedächtnisfeier zu ehren der Gefallenen stattfinden.

Gedicht zur Weihe:

Was wir jetzt weihn beim Senken unsrer Fahnen
Mags immerfort uns an die Treue mahnen,
da Ihr im Kampf für Haus und Heim gefallen.
Drum heißen Dank euch allen von uns allen!
Was Ihr gelebt, bis Ihr im Feld geschieden,
das wolln beweisen wir nun auch im Frieden!
So kann aus all dem Jammer, all dem Wehn,
ein neues, frohes Deutschland froh erstehn.

Am stillen Ort ein ernstes Stillgedenken
Wie werdens oft noch den Kamraden schenken
Wenn an dem Stein wir vorübergehn.
Nicht ohne einen Augenblick erst still zu stehn
Dann, wenn wir Eure lieben Namen lesen
Ersteht Ihr selbst vor uns, wie ihr gewesen.
Wie Ihr vor kurzen Jahren noch geschafft
Mit uns in stolzer, jugendlicher Kraft.

Wie Ihr mit uns Euch oft auch habt gefreut
Nach aller Arbeit froh in Heiterkeit.
Nun habt Ihr jetzt ein ander Los erkoren.
Jedoch getrost, Ihr seid uns unverloren –
Nicht blos auf Stein hier steht Ihr, treuen Lieben,
Ins Buch des Lebens seid Ihr eingeschrieben.
Wir alle hier, wir werden auch indessen
Was wir auch danken, nimmermehr vergessen

Und täten je wirs, dies leichtfertig Wesen
Es wird beschämt durch das, was hier zu lesen –
Dies wird erinnern stets uns an die Pflicht:
Vergeßt Lebende uns Tote nicht.
Wir haben uns in Not und Tod bezwungen
Und friedensxxx Euch durchs Schwert errungen
Von Eichenlaub und Lorber reich umkränzt.
Das Kreuz ists, das ob den Namen glänzt,

durch Kreuz zur Krone mags doch allen künden
Und Glaubensmut und Hoffnung in Euch gründen!
Und nun noch stiller jetzt, seid völlig stille,
damit der Ehrenstein sich nun enthülle,
daß alle diese Hüllen von ihm weichen
Und wir sie sehn die Namen und die Zeichen.
Doch weil der Stein nur sicher aufwärts schaut
Wenn das was Menschenhand mit Fleiß erbaut,

Wir stellen fromm in Gottes treue Hut.
Wo es ganz sicher Jahr für Jahre ruht,
Erflehn wir Gottes Segen.
Und nun die Hüllen weg, nun zeige sich der Stein!!!